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Impuls zum 26. Dezember 2021

Zum 2. Weihnachtstag

Von Dr. Stefan Voges (Aachen), Geistlicher Beirat von pax christi Aachen

Heile Welt Familie?
Eigentlich ist der zweite Weihnachtstag das Fest des ersten Märtyrers Stephanus. In diesem Jahr jedoch fällt der zweite Weihnachtstag auf einen Sonntag, so dass an diesem Tag das Fest der Heiligen Familie gefeiert wird. Doch auch dieses Fest ist durchwoben vom Fest der Menschwerdung, von Weihnachten mit seiner Stimmung, mit seinen Düften und Klängen.

Lied
Menschen, die ihr wart verloren,
lebet auf, erfreuet euch!
Heut ist Gottes Sohn geboren,
heut ward er den Menschen gleich.
Lasst uns vor ihm niederfallen,
ihm soll unser Dank erschallen:
„Ehre sei Gott, Ehre sei Gott,
Ehre sei Gott in der Höhe!“
(GL 245,1)

Familienerfahrungen
Einen Tag nach Weihnachten sind Familienerfahrungen vielerorts noch ganz frisch: harmonische Feiertage im Kreis der Familie für die einen, familiärer Stresstest für die anderen. Für wieder andere war Weihnachten, gewollt oder ungewollt, gar kein Familienfest. Ob so oder so – an Weihnachten bekommen wir jedes Jahr Familienerlebnisse „geschenkt“. Und auf diese frische Familienerfahrung setzt die Kirche mit dem Fest der Heiligen Familie quasi „noch eins drauf“. So kommt es, dass an diesem Tag in der Lesung Verse aus dem Buch Jesus Sirach zu hören sind. Darin belehrt uns der Weise Jesus Sirach darüber, dass die Eltern zu ehren sind – und wie und warum.

Lesung aus dem Buch Jesus Sirach
Der Herr hat dem Vater Ehre verliehen bei den Kindern
und das Recht der Mutter bei den Söhnen bestätigt.
Wer den Vater ehrt,
sühnt Sünden,
und wer seine Mutter ehrt,
sammelt Schätze.
Wer den Vater ehrt, wird Freude haben an den Kindern
und am Tag seines Gebets
wird er erhört.
Wer den Vater ehrt, wird lange leben,
und seiner Mutter verschafft Ruhe, wer auf den Herrn hört.
Kind, nimm dich deines Vaters im Alter an
und kränke ihn nicht, solange er lebt!
Wenn er an Verstand nachlässt,
übe Nachsicht
und verachte ihn nicht in deiner ganzen Kraft!
Denn die dem Vater erwiesene Liebestat wird nicht vergessen;
und statt der Sünden wird sie dir zur Erbauung dienen.
(Sir 3,2–6.12–14)

Drei Gedanken zur Lesung
Der erste Gedanke ist eine kleine Erklärung. Es fällt auf, dass in den Versen sieben Mal der Vater genannt wird, die Mutter indes nur vier Mal. Für dieses Ungleichgewicht gibt es eine historische Erklärung. Jesus Sirach hat seine Ermahnung wohl in erster Linie an die Söhne gerichtet, die als Erben im Haus blieben. Sie lebten über längere Zeit auf engem Raum mit ihren Eltern zusammen. Da waren Konflikte vorprogrammiert! Diese Konflikte mussten dann mit dem Vater als Familienoberhaupt und Hausvater ausgetragen werden. Wohl deshalb schärft Jesus Sirach eine achtsame und liebevolle Haltung gegenüber dem Vater besonders ein.

Der zweite Gedanke ist eine kleine Entlastung. Wir lesen die Verse des Jesus Sirach heute ganz selbstverständlich: Sie stehen halt in der Bibel. Aber vermutlich hat der Weise Jesus Sirach sie nicht ohne Grund aufgeschrieben. Offensichtlich hielt er es für notwendig, das Gebot, Vater und Mutter zu ehren, zu erklären und einzuschärfen. Offensichtlich gab es auch zu biblischen Zeiten Konflikte zwischen Eltern und Kindern. Und es gab und gibt sie wohl zu allen Zeiten! Das ändert nichts daran, dass wir einen Streit, eine Enttäuschung, eine Verletzung persönlich als schmerzhaft erleben. Aber es erinnert daran, dass Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Kindern zum Familienleben dazugehören. Und das kann uns entlasten, ob wir nun ein, wenn auch erwachsenes, Kind oder ein Elternteil sind. Denn wir müssen dann nicht darüber nachdenken, ob dieser Streit gerade nötig ist oder nicht. Wir können mehr darauf schauen, wie wir gerade streiten, und darauf achten, dass wir es respektvoll, fair und gewaltfrei tun.

Der dritte Gedanke ist eine kleine Ermutigung. Jesus Sirach geht mit seinen Versen über das bloße Gebot, Vater und Mutter zu ehren, hinaus. Das ehrende Verhalten gegenüber den Eltern wirkt über die Familie hinaus – bis ins Göttliche hinein. „Wer den Vater ehrt, sühnt Sünden“ – diese Wirkung, Sünden zu sühnen, hatten bis dahin nur kultische Vollzüge, vor allem das Opfer. Da, wo wir Vater und Mutter ehren, wo wir in der Familie ins Reine kommen, da kommen wir auch mit Gott ins Reine. Und da, wo wir mit Gott ins Reine kommen, kommen wir mit dem Ursprung des Lebens ins Reine und so mit dem Leben selbst. Da, wo wir uns um ein respektvolles, ja liebevolles Miteinander in der Familie bemühen, da ordnet sich auch unser eigenes Leben. Wenn wir in einer Familie einander aufrichtig Gutes tun, dann richtet das uns selbst auf. „Die dem Vater“ – und der Mutter – „erwiesene Liebestat wird dir zur Erbauung dienen“.

Lied
Menschen! Liebt, o liebt ihn wieder
und vergesst der Liebe nie!
Singt mit Andacht Dankeslieder
und vertraut, er höret sie!
Lasst uns vor ihm niederfallen,
ihm soll unser Dank erschallen:
„Ehre sei Gott, Ehre sei Gott,
Ehre sei Gott in der Höhe!“
(GL 245,4)

Familienperspektiven
Das Fest der Heiligen Familie stellt uns die Heilige Familie – Jesus, Maria und Josef – als Vorbild vor Augen. Und die Worte des Jesus Sirach ermutigen dazu, selbst zu einer heiligen Familie zu werden. Dabei geht es keineswegs darum, eine perfekte Familie zu werden, am Ende gar eine Familie ohne Konflikte. Eine heilige Familie zu werden, das meint, eine Familie zu werden, in der das Heil anwesend ist. In der jede und jeder sich angenommen fühlt. In der sich alle mit Respekt begegnen, selbst wenn sie verschiedener Meinung sind. In einer heiligen Familie werden Eltern und Kinder auch nach Verletzungen wieder heil, da werden sie ganz, da wachsen immer mehr in ihr ganz eigenes und in ihr gemeinsames Leben hinein.
„Wer den Vater ehrt, sühnt Sünden, und wer seine Mutter ehrt, sammelt Schätze.“ Was für Weihnachtsgeschenke!

Segen
Gott segne dich
indem sein gutes Wort
in dir klinge
und in deinen Beziehungen.
Gott segne dich
indem sein Heil
für dich spürbar werde
und für deine Gemeinschaften.
Gott segne dich
indem sein Friede
in dir lebe
und in deiner Verbundenheit
mit allem Lebendigen.

Lied
Gott ist im Fleische: wer kann dies Geheimnis verstehen?
Hier ist die Pforte des Lebens nun offen zu sehen.
Gehet hinein, eins mit dem Kinde zu sein,
die ihr zum Vater wollt gehen.
(GL 251,4)