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Impuls zum 31. Oktober 2021

Zum 31. Sonntag im Jahreskreis

Von Veronika Hüning (Höhbeck im Wendland), pax christi-Diözesanverband Hildesheim

Aus Psalm 18
Ich will dich rühmen, Herr, meine Stärke, Herr, du mein Fels, meine Burg, mein Retter,
mein Gott, meine Feste, in der ich mich berge, mein Schild und sicheres Heil, meine Zuflucht.
Ich rufe: Der Herr sei gepriesen, und ich werde vor meinen Feinden gerettet.
Mich umfingen die Fesseln des Todes, mich erschreckten die Fluten des Verderbens.
Die Bande der Unterwelt umstrickten mich, über mich fielen die Schlingen des Todes.
In meiner Not rief ich zum Herrn und schrie zu meinem Gott.
Aus seinem Heiligtum hörte er mein Rufen, mein Hilfeschrei drang an sein Ohr.

Erste Gedanken
Diese Verse stammen aus einem Danklied des Königs David nach einem Sieg über seine Feinde.
Wen umfangen heute die „Fesseln des Todes“ und wen erschrecken die „Fluten des Verderbens“? – Ich denke an die Menschen, die verhaftet und eingesperrt werden, weil sie für Wahrheit und Menschenwürde eintreten: Journalist*innen und Aktivist*innen in Ländern mit autoritären Regimen, deren Leben sogar bedroht wird, weil sie für Freiheit und Demokratie kämpfen. Ich denke an die Menschen, die sich auf der Flucht vor Armut, Verfolgung und Krieg in die Hände von skrupellosen Schleusern begeben haben und zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken, mit brutaler Gewalt über Grenzen zurückgeschoben werden oder in Elendslagern ein menschenunwürdiges Leben fristen müssen. David konnte sich bei seinem Gott bedanken, der seinen Hilfeschrei hörte und ihn vor seinen Feinden rettete. Wer hört die Hilfeschreie der Menschen, über die heute die „Schlingen des Todes“ fallen? Wo ist ihr Fels, ihre Burg, ihr sicheres Heil?

Deuteronomium 6, 2-6
„Wenn du den Herrn, deinen Gott, fürchtest, indem du auf alle seine Gesetze und Gebote, auf die ich dich verpflichte, dein ganzes Leben lang achtest, du, dein Sohn und deine Enkel, wirst du lange leben. […]
Höre, Israel, Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“
Das Erste Testament verbindet die Liebe zu Gott ganz unverbrüchlich mit der Verheißung eines langen und glücklichen Lebens. Kann dieses Versprechen auch die Menschen erreichen, deren Leben heute bedroht ist?

Mk 12, 28-34
Die Frage nach dem wichtigsten Gebot

Ein Schriftgelehrter ging zu Jesus hin und fragte ihn: Welches Gebot ist das erste von allen? Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden. Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut, Meister! Ganz richtig hast du gesagt: Er allein ist der Herr, und es gibt keinen anderen außer ihm, und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer. Jesus sah, dass er mit Verständnis geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr, Jesus eine Frage zu stellen.

Die dreifache Liebe
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben – das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ So formuliert es das Matthäusevangelium (22, 34-40), ganz ähnlich wie Markus.

Es gibt also ein erstes und ein zweites Gebot, aber es gibt nicht nur ein wichtigstes, denn das zweite ist ihm gleichgestellt. Das verstehe ich so: Das zweite Gebot, das der Nächstenliebe, geht ganz folgerichtig und natürlich aus dem ersten Gebot hervor, aus der Gottesliebe. Sie sind untrennbar miteinander verbunden. Wer Gott liebt, wird auch den Nächsten lieben, der ein Ebenbild dieses Gottes ist. Gottesliebe geht nicht ohne Nächstenliebe. Und deshalb konkurrieren sie nicht miteinander um Bedeutung und Wert, sondern sie ergänzen einander. 

Und wer der Nächste ist, hat auf eindrückliche Weise das Gleichnis vom barmherzigen Samariter gezeigt. Der Nächste ist nicht der Mensch, mit dem ich verwandtschaftlich oder freundschaftlich am engsten verbunden bin. Es ist nicht unbedingt mein Volksgenosse, mein Gesinnungskamerad oder jemand, der in der Kirchenbank neben mir sitzt. Zum Nächsten soll vielmehr ich demjenigen werden, der meine Hilfe braucht. Der unter die Räuber gefallen, misshandelt und verletzt worden ist.

Jesus sagt: Deine Liebe, deine Aufmerksamkeit, deine Fürsorge soll dem Menschen gelten, der dich braucht. Liebe ihn „wie dich selbst“!

Ist damit sozusagen ein drittes Gebot formuliert? Liebe dich selbst? Gottesliebe, Nächstenliebe, Selbstliebe – ist das der von Jesus gewollte Dreiklang? Die Selbstliebe ist ja oft verunglimpft worden, als Egoismus, Eitelkeit, Ichsucht. Aber ich denke, sich selbst zu lieben ist eine Basis für die Liebe zu anderen. Wer sich selbst verachtet und vernachlässigt, wird kein guter Liebhaber sein!

„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Das heißt: So wie dir dein Wohlergehen wichtig ist, so wie du dich um dich kümmerst, um deine Gesundheit, deine Sicherheit, dein Glück – so sollst du dich auch um deine Mitmenschen kümmern, die dir begegnen.

Wir sind gesandt in die Welt, um Nächstenliebe zu leben, Nächstenliebe praktisch werden zu lassen. Wir sind gesandt, um Frieden zu fördern, wo immer wir dazu beitragen können. So wird die Einheit spürbar und wirksam: Gottesliebe und Nächstenliebe, Solidarität und ein Kontinente übergreifender Zusammenhalt.
Wenn wir die Liebe zu Gott und zum Nächsten ernst nehmen, dann rückt das versprochene glückliche Leben in erreichbare Nähe – auch für die Menschen, die noch in Ängsten und Bedrohungen leben. Denn sie werden Menschen an ihrer Seite finden, die ihnen eine Liebe entgegenbringen, die mehr ist als Gefühl und gute Absicht. Sondern die tatkräftig ist. Darauf dürfen wir hoffen – und daran mitwirken!

Gebet
Gott des Lebens!
„Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr.“ – Mit diesem Wort hat sich das Volk des Alten Bundes zu dir bekannt: das Volk des Bundes, der Bestand hat bis heute. Auch wir Christinnen und Christen wollen uns so eindeutig zu dir bekennen und in der Treue zu dem Neuen Bund in Jesus Christus die Liebe zum Nächsten wie zu uns selbst üben.

Die Liebe zu dir, Gott, bedeutet eine klare Abkehr von den falschen Göttern, die sich uns heute anbiedern: Konsum, Macht, „erlösende Gewalt“.

Stärke uns, Gott, damit wir niemandem gehorchen, der uns in die Unfreiheit führt, sondern damit wir dem Leben dienen.

Segen
Guter Gott!
Segne unsere Augen, damit wir aufmerksam sind für das, was andere Menschen brauchen.
Segne unsere Ohren, damit wir Hilferufe wahrnehmen können, ebenso wie Zuspruch.
Segne unsere Lippen, damit wir Unrecht beim Namen nennen und Worte des Trostes sprechen.
Segne unsere Hände, damit wir mit ihnen Zärtlichkeit schenken, Versöhnung bekräftigen und miteinander teilen.
Segne unsere Füße, damit sie uns auf den Weg bringen zu mehr Gerechtigkeit und Frieden.
Gib uns allen ein Rückgrat und segne es, damit wir aufrecht und aufrichtig leben können.
Segne unsere Herzen, damit darin viele Menschen zu Hause sein können.
So segne uns alle der eine Gott, der Vater / durch den Sohn / im Heiligen Geist.
Amen.

Lieder
Wo die Güte und die Liebe (GL 442)
Ubi caritas (GL 445)