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Impuls zum 28. November 2021

Zum 1. Advent

Von Dr. Reinhard J. Voß, Ökumenische Gemeinschaft Wethen

Eröffnung/Beginn
Mit Kreuzzeichen und Adventslied aus dem 30jährigen Krieg von Friedrich Spee 1622, einem der kritischsten katholischen Geister der Zeit: Gotteslob Nr. 231. 1-6 : O Heiland, reiß die Himmel auf

Zeitgedanken
Meine Gedanken gehen zu Anfang des Advent genau zehn Jahre zurück in die Zeit, als meine Frau Margret und ich Friedensarbeiter*in in der Katholischen Kirche im Kongo waren. Damals schrieb ich:

Kongolesischer Advent = Warten
Es gab das große Warten und Rätseln, ob die Wahl verschoben würde. Bis ich selbst eine Woche vorher erst in meinem Kalender das Fragezeichen durchkreuzte. Es gab das große Warten auf die Ergebnisse und das mehrfache Verschieben; über eine Woche lang stand das Leben hier in Kinshasa und sicher auch anderswo im Kongo fast still. (…) Danach wieder tagelang, ein ganzes l-a-n-g-e-s Wochenende lähmender Ruhe. Der Deutschen Botschaft folgend, warteten wir weiter und verließen die Wohnung nicht. Zeit für Advent, für Er-Warten. 

Warten ist überhaupt eine Tugend oder Gewohnheit, die wir hier im letzten Jahr lernen konnten. Der Kongo wartet lange schon auf bessere Zeiten, aber tut er genug dafür: oder holen sich die Reichen und Mächtigen die besseren Zeiten einfach im Vorgriff nur für sich selbst herbei? Die alten „Westmächte“ stehen zur Fortsetzung der Regierung, auch die neuen „Weltmächte“ China, Indien und Brasilien. Wir Deutschen bleiben skeptisch-solidarisch – mit dem Land und Volk, auch mit der katholischen Kirche (ergänze ich für mich), mehr als mit der Regierung.  Wir erleben gerade die Spannung eines Machtspiels und wissen nicht, ob wir Weihnachten hier oder als Evakuierte woanders erleben werden – nur 2 Wochen entfernt! Aber wir sind zuversichtlich, wegen der vielen Gedanken und Gebete für Kongo, und weil unser Gott selbst Weihnachten kommt und uns beschützt. Eben: Kongolesischer Advent! (Reinhard J. Voß, 11. Dez.2011) 

Die Situation dort hat sich nur bedingt gebessert durch den jetzigen Präsidenten Tshisekedi, der Joseph Kabila später ablöste. Das Volk leidet weiter große Not, Gewalt, Ungerechtigkeit.

Einige heutige Gedanken nun zum Advent im Corona-Jahr 2021
Das Wort „ADVENT“ kommt von advenire. ad-venire heißt: ankommen; adventus=Ankunft.
Advents-Zeit ist also: 
Warte-Zeit.
Besinnungs-Zeit. 
Hoffnungs-Zeit. 
Vorbereitungs-Zeit. 
Stille „Intensiv“-Zeit. 
Entscheidungs-Zeit. 
Neue unterirdische Reife-Zeit / Start-Zeit. 

Wir sollen „guter Hoffnung sein“. Das heißt doch: schwanger gehen – mit einem Kind, mit einem Gedanken, einem Lebens-Plan, Überlebens-Plan, einem Rettungsplan, Ankunfts-Plan.

Wer kommt denn an zu Weihnachten 2021? 
Kommen wir Christ*innen irgendwo an? Finden wir Ruhe in Gott, wie Augustinus es zusagte: „Unruhig ist unser Herz bis es ruhet in Dir.“

Kommt Gott in der Welt an? Herodes und die vielen Mächtigen der Weltgeschichte haben es zumindest nicht verhindern können.

Kommen Flüchtlinge irgendwo an? Was ist mit unserer Willkommenskultur geworden?
Wo verbleiben die Elenden der Welt und die Noch-Hoffenden? Wie kommen sie zusammen?
Kommt Gesellschaft am Ziel an: „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“??? 

Wir glauben an die Kraft der vielen Kleinen und des kleinen Gottes-Kindes, „heruntergekommen“ und hilfsbedürftig. Zugleich strahlend vor Lebensfreude, immer wieder Zeichen, dass Gott die Welt nicht verloren gibt (Tagore). Und wir wissen um die Kraft des Samen- und Senfkornes. Davon hat uns Jesus später eindringlich und Mut machend erzählt.

Lesungen und Evangelium zum Ersten Advent. Was mir auffällt.
Jesaja 33, 14–16
Mir fallen folgende Impulse auf:
Wer göttliche „Zuflucht“, „sein Brot (und) seine Wasserquelle“ sucht, wer also genug und genügend zum Leben haben möchte, dem/der wird sehr konkret und aktuell geraten (V.15): Dies findet, „wer rechtschaffen lebt und immer die Wahrheit sagt, wer es ablehnt, Gewinn zu erpressen, wer sich weigert, Bestechungsgelder zu nehmen, wer sein Ohr verstopft, um keinen Mordplan zu hören, und die Augen schließt, um nicht Böses zu sehen“.  

1 Thess. 3.12 - 4.2
Mir fallen folgende Impulse auf: 
 (Gott lasse Euch) „wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen, wie auch wir euch lieben, damit euer Herz gefestigt wird und ihr ohne Tadel seid. Geheiligt vor Gott“ (…). Wenn Jesus, unser Herr, mit allen seinen Heiligen kommt.“ (V.13) 

Durch diese Ermahnungen sollen wir „noch vollkommener“ werden. Abgesehen von dem für Paulusbriefe oft vorhandenen moralischen Druck ist das doch auch ein großes Zutrauen in unsere Entwicklungs- und Entfaltungs-Fähigkeiten im Leben!

Lk. 21, 25-28 und 34-36
ERWARTUNG: DAS KOMMEN DES MENSCHENSOHNS
25Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, 
26und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.
 27Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. 28Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.

ERMAHNUNG ZUR WACHSAMKEIT
34Hütet euch aber, dass eure Herzen nicht beschwert werden durch Rausch und Saufen und mit täglichen Sorgen und dieser Tag nicht plötzlich über euch komme 35wie ein Fallstrick. Denn er wird über alle kommen, die auf der ganzen Erde wohnen. 36Wachet aber allezeit und betet, dass ihr stark werdet, zu entfliehen diesem allen, was geschehen soll, und zu stehen vor dem Menschensohn.

GEBET und VERGEWISSERUNG
Guter Gott-mit-uns, Emanuel,
Deine gelebte Solidarität mit den Kleinen dieser Erde hat eine Hoffnungs-Bewegung weltweit entfacht. Sie hat Menschen in guten und schweren Tagen begleitet und getröstet, inspiriert und langmütig gemacht: im Widerstand gegen Not und Unrecht, Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte, Vertreibungen und Vernichtung von Zukunfts-Hoffnungen.

Begleite uns doch in der Erwartungszeit des Advents, damit wir klarer sehen, mutiger gehen, offener geben und freimütiger leben. Heute und alle Tage unseres geschenkten Lebens. Amen.

Aktuell gebliebene Ermahnung zur Wachsamkeit
Der folgende Text hat mich seit Jahrzehnten begleitet und stammt von Manfred Fischer 1980. Wir ahnten damals erst senfkorn-keimhaft die Veränderungskraft der 80er Jahre. Der Text hat gerade im letzten Corona-, Klima- und politischen Wechsel-Jahr eher noch an Aktualität und Brisanz gewonnen. Und er stellt uns unseren „Meister der Verwandlung“ immer wieder neu vor: Jesus den Christus, den Gesalbten und zu unserer Hoffnung Gesandten.

Ausgewogen – und zu leicht befunden
Eure Rede aber sei: ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Matthäus 5,37)

Wir haben eine Regel
von nun heimlich leiser Gewalt,
die alles verformt.
Sie lautet: Ausgewogen!

Ausgewogen – das heißt:
Jedem gewogen,
jedem zu Gefallen,
jedem nach dem Mund –
aber ja nicht zu sehr.

Ausgewogen – das heißt
Von allem etwas,
ein bisschen rechts, ein bisschen links,
ein wenig Pharisäer, ein wenig Zöllner,
ein Stückchen Recht, ein Stückchen Unrecht,
jedem das Seine –
aber ja nicht zu viel
und schön gleichmäßig verteilt.

Ja nicht auffallen,
sich nicht exponieren,
sich nicht engagieren,
immer Distanz wahren,
Gefühle und Meinungen verstecken
hinter unverbindlicher Allgemeinheit.
Flügel und Extreme stutzen,
keine Ecken, keine Kanten,
abschleifen alles, bis es glatt ist und rund
und keinem mehr weh tut.

Ausgewogen – das heißt:
Am Ende wird mit Macht
ins Gleichgewicht gebracht,
was nicht gleich wiegt.

Jesus aber ist nicht ausgewogen.
Er hat nicht von allem etwas. Er versteht sich nicht darauf,
seiner Rede die Spitze abzubrechen,
sie gefällig zu machen
und erträglich für jedermann.
Seine Rede ist nicht „Sowohl – als auch“.
So sprechen Politiker,
Bischöfe und Würdenträger
von hoher Warte, aus übergeordneter Sicht. 
Jesus spricht nicht von oben herab.
Als Menschensohn spricht er aus der Tiefe.
Und was er sagt,
hat er im Leiden bewährt.

So ist seine Rede: Ja, ja – nein, nein,
ohne die Vorbehalte der Taktiker,
ohne Verbeugung vor den Bedrängern.
Die Armen preist er selig
und nicht zum Ausgleich auch noch die Reichen.

Dem hohen Ziel der Ausgewogenheit
genügt er nicht.
Nicht einmal am Kreuz hängt er ausgewogen.
Wir aber korrigieren nachträglich 
die Haltung des Geschundenen,
und immer sind wir dabei,
ihn auszutarieren,
und kreuzigen deshalb
einen zur Rechten und einen zur Linken –
wir, die es gelernt haben,
unsere Mittelwege zu vergolden.
 
[Manfred Fischer: Einmischung in innere Angelegenheiten. Worte Jesu in Variationen und Meditationen für unsere Zeit, Stuttgart, 2. Auflage 1981, Seite 7f.]

Abschluss
ITE, MISSA EST. Geht hinaus. Es ist Sendung. Ihr seid gesandt. AMEN.

Als Abschluss beten oder singen wir das Klage-, Friedens- und Bekräftigungs-Lied von Heinrich Schütz (1585-1672), das er am Schluss des 30-jährigen Krieges komponierte - als Teil seiner „Geistlichen Chormusik 1648“. Den lateinischen Text aus dem 9. Jhd. hatte Martin Luther schon 1529 ins Deutsche übersetzt. 

(Drei Fassungen zitiert aus Wikipedia)

Da pacem, Domine,
in diebus nostris,
quia non est alius
qui pugnet pro nobis,
nisi tu Deus noster.

Verley uns frieden gnediglich
Herr Got zu unsern zeyten,
Es ist doch ya keyn ander nicht,
der für uns künde streitten.
Denn du unser Godt allaine

Verleih uns Frieden gnädiglich,
Herr Gott, zu unsern Zeiten.
Es ist doch ja kein andrer nicht,
der für uns könnte streiten,
denn du, unser Gott, alleine.